Die Rückengesundheit von Kindern richtig stärken

Dr. Sven Panzert ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie und hat sich auf die Kinderorthopädie spezialisiert. Eine gerade, aufrechte Haltung sieht er als wesentlichen Bestandteil der gesunden körperlichen Entwicklung eines Kindes.

Rückenschmerzen sind längst nicht mehr nur ein Leiden der Erwachsenen. Auch immer mehr Kinder und Jugendliche klagen über Schmerzen im Nacken- und Schulterbereich oder im unteren Rücken. Die Ursachen können zwar vielfältig sein – aber ein negativer Faktor ist nicht von der Hand zu weisen und allgemeingültig: Kinder und Jugendliche bewegen sich im Alltag zu wenig. Das begünstigt wiederum Haltungsschäden, die oft Rückenbeschwerden mit sich bringen. Zum Glück lässt sich das ändern. Wir klären auf und geben Tipps.

Für viele Schulkinder sind sie die schönste Zeit des Jahres: Die Sommerferien! Zeit für Unternehmungen, Freunde treffen, Baden gehen. Doch auch die schönste Zeit geht einmal vorbei und die Schule ruft wieder zur Pflicht. Mit dem Schulalltag nimmt jedoch auch das Risiko zu, dass sich Kinder im Alltag viel zu wenig bewegen. „Gerade längeres Sitzen, sportliches Desinteresse aber auch längere Social Media-Aktivitäten können bei Kindern zu Bewegungsmangel und zum Verlust motorischer Fähigkeiten führen und somit zu Haltungsstörungen“, sagt Dr. Sven Panzert, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie mit dem Schwerpunkt Kinderorthopädie an den Sana Kliniken Leipziger Land in Borna „Eine gerade, aufrechte Haltung ist jedoch ein wesentlicher Bestandteil der gesunden körperlichen Entwicklung eines Kindes.“

Hauptursache von Haltungsstörungen: Bewegungsmangel

Dabei ist nicht allein das lange Stillsitzen in Klassenräumen für den Bewegungsmangel vieler Kinder verantwortlich, sondern auch ausdauerndes Sitzen vorm Computer oder am Handy, mangelnde Bewegung und fehlender sportlicher Anreiz. „Amerikanische Studien haben gezeigt, dass Jugendliche bis zu 6 Stunden täglich vor Medien verbringen“, sagt Dr. Panzert. „In höherem Alter sind es meist sogar noch mehr Stunden.“

Für den Kinderrücken ist das Gift, da die Rückenmuskeln zur Untätigkeit verdammt sind und ihre Funktion nicht voll erfüllen können. Das wiederum führt zu einem Ungleichgewicht im Zusammenspiel der Muskeln. „Viele Kinder haben die Fähigkeit verloren, eine aufrechte und ausgewogene Körperhaltung über 30 Sekunden aufrecht zu erhalten“, erklärt Dr. Panzert. „Sie fallen ins Hohlkreuz und haben einen Rundrücken. Eine Fehlhaltung, die sich auch auf die Stellung der Halswirbelsäule und des Beckens auswirkt und eine übermäßige Fehlbelastung der Muskeln mit sich bringt“, so der Kinderorthopäde. Kein Wunder also, dass bereits 18 Prozent der 14- bis 16-jährigen unter Rückenschmerzen leiden.

Eine gerade, aufrechte Haltung ist ein wesentlicher Bestandteil der gesunden körperlichen Entwicklung.

Dr. Sven Panzert

Natürlich gibt es auch andere Faktoren, die zu Haltungsstörungen führen können: angeborene Fehlstellungen der Wirbelsäule wie eine starke seitliche Krümmung (Skoliose), Übergewicht oder schlichtweg auch ein permanent zu schwerer Schulranzen können auch bei Kindern im wahrsten Sinne „aufs Kreuz“ gehen. Dementsprechend richtet sich die Behandlung von Haltungsstörungen bei Kindern immer nach Ursache und Schwere der Störung.

Gängige Behandlungsmethoden

Physiotherapie: Sie kann bei der Verbesserung der Haltung und Stärkung der Muskulatur eine wichtige Rolle spielen. Durch gezielte Übungen und Bewegungstherapien können Fehlhaltungen korrigiert werden.

Veränderung des Lebensstils: Eine Änderung des Lebensstils, einschließlich einer ausgewogenen Ernährung, ausreichender Bewegung und Vermeidung von langem Sitzen, kann dazu beitragen, Haltungsprobleme vorzubeugen oder zu verbessern.

Orthopädische Hilfsmittel: In einigen Fällen können orthopädische Hilfsmittel, wie Korsette oder Einlagen, dazu beitragen, die Wirbelsäule zu unterstützen und die Haltung zu verbessern.

Chirurgische Eingriffe: In schweren Fällen, wie bei fortgeschrittener Skoliose, kann eine Operation erforderlich sein, um die Wirbelsäule zu korrigieren.

Eine kleine Entwarnung gibt der Mediziner dann doch: „Untersuchungen haben ergeben, dass sich die Pubertät positiv auf die Haltungsleistung auswirkt. Die produzierten Sexualhormone haben eine Art anabolische Wirkung auf die Muskulatur zu haben. Außerdem ändern sich durch das Wachstum die Haltung und auch das eigene Körperbewusstsein.“

Portrait Dr. med. Sven Panzert, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie mit dem Schwerpunkt Kinderorthopädie am Sana Klinikum Borna

Kinderorthopäde mit Blick für eine gesunde Haltung

Dr. Sven Panzert
Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie
Telefon 03433 2484-360
sven.panzert@sana.de

Das sei jedoch kein Freifahrtschein für Jugendliche, sich noch weniger zu bewegen, ergänzt Sven Panzert mit einem Schmunzeln. Vielmehr ist das beste Mittel, um Haltungsstörungen und Rückenschmerzen bei Kindern und Jugendlichen gar nicht erst entstehen zu lassen, Aktivität und bewusste Auszeiten von Handy und Co. „Es mag sich abgedroschen anhören – aber ein aktiver Lebensstil schon im Kindesalter hilft dabei, eine aufrechte Haltung zu bewahren und Rückenbeschwerden vorzubeugen.“ Dabei sei es gar nicht unbedingt notwendig, die Kinder in einem Sportverein anzumelden oder Leistungssport zu betreiben.

Jede Form von Bewegung, die die Muskeln aktiviert und Motorik und Sensorik schult, zähle, so Dr. Panzert. Er rät Eltern ihren Kindern altersgerechte Aktivitäten anzubieten und die Lust an der Bewegung zu wecken. „Gemeinsam Rad fahren, Ball oder Federball spielen, wandern – all das motiviert Kinder und Eltern gleichermaßen. Und es hat den schönen Nebeneffekt, dass man sich Routinen im Alltag und schöne gemeinsame Erlebnisse schafft“, so der Kinderorthopäde.

Starker Rücken – starke Kinder: Worauf Sie achten sollten!

Es gibt ein paar Dinge, die sie beachten sollten, wenn sie Ihrem Kind dabei helfen möchten, eine gesunde Haltung zu bewahren.

  1. Regelmäßige Bewegung:
    Fördern Sie eine aktive Lebensweise und regelmäßige Bewegung. Spielen im Freien, Sport und körperliche Aktivität tragen zur Stärkung der Muskulatur und Entwicklung einer gesunden Haltung bei.
  2. Ergonomische Schulranzen:
    Achten Sie darauf, dass der Schulranzen Ihres Kindes ergonomisch ist und richtig getragen wird, um die Belastung der Wirbelsäule zu minimieren. Das Gewicht des Ranzens sollte etwas 1/10 betragen aber auf jeden Fall 1/7 des Körpergewichtes nicht überschreiten.
  3. Ergonomische Arbeitsplätze:
    Wenn Ihr Kind viel Zeit vor dem Bildschirm verbringt, stellen Sie sicher, dass der Arbeitsplatz ergonomisch gestaltet ist, um eine gesunde Haltung zu fördern.
  4. Frühzeitige Diagnose und Behandlung:
    Lassen Sie Ihr Kind regelmäßig von einem Arzt untersuchen, um mögliche Haltungsstörungen frühzeitig zu erkennen und angemessen zu behandeln.

Egal welcher Sport, wichtig ist, regelmäßige Bewegung. Hauptsache Ihr Kind bewegt sich regelmäßig und ausreichend und Spaß daran hat. Tatsächlich ist eine Sportart aber besonders geeignet, um Fehlhaltungen bei Kindern entgegenzuwirken: Klettern. „Generell fördert Klettern sowohl die Grob- als auch die Feinmotorik und ist ein wahres Ganzkörpertraining“, empfiehlt der Experte.

Mit Barfußschuhen für mehr Haltung

Drei Fragen an Jens Greiling, Lauf- und Fitnesscoach sowie Bewegungs- und Haltungsanalyst bei der Sanitätshaus Helmut Haas GmbH.

Sind Barfußschuhe für Kinder empfehlenswert?

Barfußschuhe sind Schuhe, die das Gehen barfuß simulieren und eine natürliche Bewegung der Füße ermöglichen. Sie haben eine flexible Sohle und bieten dem Fuß eine größere Bewegungsfreiheit im Vergleich zu herkömmlichen Schuhen. Barfußschuhe aktivieren die Muskeln des Fußes, der ja ansonsten geschützt und gestützt in Schuhen steckt. Er muss vielmehr Arbeit leisten – balancieren, stabilisieren, fühlen. Gerade in jungen Jahren ist vielfältiges Belasten ideal. Nebenbei schult Barfußgehen die eigene Körperwahrnehmung und kann zu einer verbesserten, aktiveren Haltung beitragen.

Ab welchem Alter können Kinder Barfußschuhe tragen?

Generell empfiehlt es sich, so oft wie möglich und da, wo es Sinn macht, barfuß oder in Barfußschuhen zu gehen. Und das geht eigentlich in jedem Alter. Natürlich sollte man bei speziellen Belastungen geeignete Schuhe tragen, die die Füße schützen und ihren Halt unterstützen. Bei einer alpinen Wandertour würde ich von Barfußschuhen abraten und auch bei vielen Sportarten wie Fußball oder Handball lieber auf richtige Sportschuhe zurückgreifen.

Gibt es Indikationen, die gegen Barfußschuhen bei Kindern sprechen?

Ja, nämlich dann, wenn es aus orthopädischer Sicht nicht ratsam ist. Zum Beispiel bei groben Fehlstellungen wie einem Knick- oder Senkfuß ist es sinnvoller, den Tag in festerem Schuhwerk und mit Unterstützung wie orthopädischen Einlagen zu bestreiten. Jedoch sollte auch hier ein kleines Fußtraining und Fußgymnastik erfolgen – und das geht am besten barfuß!

Stand: 18.08.2023

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