Früh erkennen, gezielt behandeln
Parkinson: Nicht heilbar, aber gut behandelbar
Muhammad Ali, Ottfried Fischer, Michael J. Fox – ihnen ist gemeinsam, dass sie an derselben Krankheit leiden bzw. litten: Morbus Parkinson. Was das bedeutet, welche Symptome auftreten und wie eine Behandlung aussehen kann, erklärt Dr. Alexander Reinshagen, Chefarzt der Klinik für Neurologie am Sana Klinikum Borna, im Interview.
Noch kein Heilmittel, aber viele Fortschritte
Interview mit dem Neurologen Dr. Alexander Reinshagen
Mit rund 400.000 Betroffenen ist Parkinson in Deutschland die zweithäufigste neurologische Erkrankung. Bei Parkinson-Patienten gehen dopaminproduzierende Nervenzellen im Gehirn zugrunde. Als Hauptymptome gelten Zittern (»Tremor«), Muskelsteifigkeit (»Rigor«) und Bewegungsarmut (»Akinese«). Leider ist die Krankheit aktuell noch nicht heilbar. Warum dennoch Grund zur Hoffnung besteht, erklärt der Bornaer Neurologe Dr. Alexander Reinshagen im Interview.
Daddeln gegen Parkinson
Die Komplexbehandlung bei Parkinson besteht aus der medikamentösen Therapie, Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie und der psychologischen Betreuung. Sie zielt auf eine Verbesserung der Bewegungs- und Sprachfähigkeit, sodass die Patienten so lange wie möglich ein weitgehend selbstständiges Leben führen können. Das therapeutisch angeleitete Training an der Spielkonsole ist dabei ein Therapieelement.
Unser Experte für Morbus Parkinson
Dr. Alexander Reinshagen
Facharzt für Neurologie
Telefon 03433 21-1481
neurologie.borna@sana.de
Was genau passiert im Körper, wenn ich an Parkinson erkrankt bin?
Morbus Parkinson führt zur Schädigung einer Vielzahl von Nervenzellen im Gehirn. Das geschieht nicht von heute auf morgen. Vielmehr weitet sich der Krankheitsprozess über Jahre aus, schon lange bevor die Patienten erste Symptome bemerken. Zu Beginn sind Gehirnregionen betroffen, die den Geruchssinn, den Verdauungstrakt aber auch den entspannten Schlaf steuern. Später kommen die allgemein bekannteren Symptome dazu – Bewegungsverlangsamung, Steifigkeit oder auch die Schüttellähmung.
Wie alt ist der typische Parkinson-Patient, die typische Parkinson-Patientin?
Die benannten Symptome setzen meistens zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr ein, jedoch steigt die Wahrscheinlichkeit des Auftretens körperlicher Symptome mit dem Alter. Parkinson ist die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung. Selten sind deutlich jüngere Personen, schon etwa ab 30 Jahren, von Symptomen betroffen, so wie etwa der US-Schauspieler Michael J. Fox.
Schon gewusst?
Der englische Arzt James Parkinson beschrieb vor etwa 200 Jahren die ersten Patienten mit Parkinsonsymptomen, jedoch finden sich bereits im Altertum Beschreibungen, die uns heute an Parkinson denken lassen. Die Parkinson-Krankheit wird auch als »Schüttellähmung« benannt, weil es einerseits zum Schütteln meist der einen mehr als der anderen Hand kommt. Der Begriff »Lähmung« ist dahingehend irreführend, dass Patienten langsamer werden, im Gesicht unbeweglicher, aber eine Lähmung im eigentlichen Sinn nicht eintritt.
Hauptsymptome des Parkinson sind:
- Zittern (»Tremor«)
- Muskelsteifigkeit (»Rigor«)
- Bewegungsarmut (»Akinese«)
Welche Symptome treten im Rahmen der Erkrankung auf?
Inzwischen gilt, dass Geruchsstörungen, ohne dass sie akut durch ein Virus ausgelöst wurden, über Jahre den körperlichen Symptomen vorausgehen. J. Parkinson hat bereits 1817 die »Schüttellähmung« beschrieben: Zittern, den sog. Tremor, und die zunehmende Steifigkeit und Minderbeweglichkeit. Doch da gibt es viel mehr: Als Frühsymptome können Depressionen, Schlafstörungen (Um-sich-Schlagen im Schlaf) und Verstopfung auftreten. Klassische Symptome sind dann eine Minderbeweglichkeit, auf einer Körperseite betont, was sich im fehlenden Mitschwingen eines Armes beim Gehen oder als Schulterschmerz äußert, auch bemerken die Betroffenen eine kleinere Handschrift. Weiter fällt eine leisere, monotone Stimme auf. Zu den bekanntesten und im fortgeschrittenen Stadium sichtbar werdenden Symptomen gehören dann ein vornübergebeugter Gang, kleinere langsamere Schritte, Stürze, eine reduzierte Mimik.
Wie bemerken Betroffene, ob sie an Parkinson erkrankt sind?
Wenn Sie Beschwerden bei sich oder Ihren Angehörigen bemerken, rate ich dazu, so früh wie möglich einen Neurologen aufzusuchen. Wenn eine Begleitperson mitkommt, die den Patienten gut kennt, kann der Arzt diese nach Veränderungen im Verhalten, Stimmung, Stimme oder Beweglichkeit des Betroffenen fragen. Bei den Frühsymptomen ist gerade der Hinweis auf Schlafstörungen hilfreich, diese nimmt der Betroffene ja nicht wahr.
Je früher und konsequenter mit einer Therapie begonnen wird, desto besser.
Dr. Alexander Reinshagen
Wie wird die Krankheit diagnostiziert?
Ein Nachlassen der Stimmung (Dopamin ist auch Botenstoff im sog. Belohnungssystem), Schmerzen, Schlafstörungen und Störungen des vegetativen Nervensystems, wie Verstopfung und Riechstörung sind Frühsymptome der Erkrankung. Dies im Zusammenhang mit den oben beschriebenen Störungen müssen an die Parkinson-Krankheit denken lassen. Die Diagnose eines Morbus Parkinson ist bei aller Technisierung der Medizin immer noch an den klinischen Blick des erfahrenen Neurologen gebunden, erst dann gehören bildgebende und selten nuklearmedizinische Verfahren zur Diagnostik. Weiter werden Riechproben, Tests zur Veränderlichkeit der Herzfrequenz und vieles mehr durchgeführt. Auch gibt es parkinsonähnliche Erkrankungen, sog. Parkinson-Plus-Syndrome, bei denen anders behandelt wird, es besteht also dringlicher neurologischer Abklärungsbedarf. Den einen Marker für die Diagnose der Parkinson-Erkrankung wird es ggf. in den nächsten Jahren geben, derzeit ist die Diagnose noch ein (gut zu lösendes) Puzzle für den Erfahrenen.
Wenn die Diagnose steht: Wie reagieren Patienten?
Die Diagnose ist für einen Teil der Patienten und deren Angehörige zunächst ein Schock – einerseits. Andererseits sind viele auch erleichtert, da sie jetzt verstehen, was in ihrem Körper passiert und sie nun auch Hilfe bekommen. Die Chancen stehen heutzutage sehr gut, die Symptome gut behandeln zu können, gerade nach den ersten Therapieschritten fühlen sich einige Patienten wie in den Flitterwochen (»Honeymoon«). Je früher und konsequenter mit einer Therapie begonnen wird, desto besser: Das erhöht die Lebensqualität und hilft, den Alltag besser zu meistern.
Parkinson: Sport treiben, um körperlich fit zu bleiben
In der neurologischen Rehasportgruppe am Sana Klinikum Borna können Parkinsonpatienten nach abgeschlossener Behandlung weiter trainieren. Sie werden dabei von fachkundigen Physiotherapeuten und Sportwissenschaftlern des Klinikums angeleitet. Interessenten benötigen lediglich eine Rehasportverordnung von ihrem Hausarzt oder Neurologen und die Zustimmung der Krankenkasse.
Das Training findet einmal wöchentlich statt und ist für die Teilnehmer kostenfrei. Wer mitmachen möchte, der melde sich einfach mit der Verordnung am Institut für therapeutische Medizin für die Gruppe an.
Anmeldung unter:
- Tel.: 03433 21-1882
- oder per E-Mail
- Montag bis Freitag zwischen 07:00 und 19:00 Uhr
Welche Therapien sind empfehlenswert?
In der Therapie des Morbus Parkinson ist seit über 40 Jahren das L-Dopa, ein Dopamin-Vorbote, bewährt. Weiter wurden Medikamente entwickelt, um L-Dopa für das Gehirn besser verfügbar zu machen oder dem Gehirn seine Anwesenheit vorzuspielen (Dopaminagonisten), diese Medikamente gibt es auch als Pflaster bzw. als Spritze. Weitere Medikamente sind spannend konzipiert, da sie wiederum den Abbau des reduzierten Dopamins verlangsamen und damit dem Gehirn vermehrt anbieten. In späteren Phasen kommen die sog. Apomorphin-Pumpe, wobei das genannte Medikament wie beim Insulin unter die Haut injiziert wird, und eine Pumpe, die das Medikament direkt in den Darm appliziert, in Frage. Weiter gibt es die tiefe Hirnstimulation (der sog. »Hirnschrittmacher«), in hochspezialisierten Zentren neuerdings auch eine aufwändige Ultraschallbehandlung, so dass keine Hirnoperation mehr nötig ist.
Für das Gros der Patienten sind jedoch die medikamentöse und vor allem die physiotherapeutische und logopädische Betreuung die wichtigsten Pfeiler der Therapie. Hilfreich ist die so genannte BIG-Therapie beim Spezialisten, für den häuslichen Gebrauch halte ich regelmäßige Bewegungsübungen aller Art, auch mit Spielkonsolen, für unabdingbar, ebenso die Bewegungstherapie in der Gruppe mit Betroffenen. Wie einer meiner Parkinson-Patienten sagte, muss der Parkinson-Erkrankte jeden Tag Leistungssport betreiben, um körperlich relativ fit zu bleiben.
Wie hilfreich sind Selbsthilfegruppen?
Krankenhäuser, wie auch unsere Klinik, und Reha-Kliniken bieten eine ca. dreiwöchige komplexe Therapie, bei der alle oben genannten Fachbereiche am und zum Wohl des Patienten zu ihm kommen, zur langfristigen Linderung der Symptome an. Danach sind für das gemeinsame Besprechen der mit der Krankheit verbundenen Probleme, auch die der betreuenden Angehörigen, m. E. Selbsthilfegruppen unerlässlich, vieles können Mediziner und Therapeuten aus ihrem Alltag heraus nicht für die Erkrankten regeln.
Selbsthilfe & Erfahrungsaustausch
Einmal im Monat trifft sich die Selbsthilfegruppe zum Erfahrungsaustausch, zu Vorträgen oder Unternehmungen. An Parkinson erkrankte Menschen aller Altersgruppen und ihre Angehörigen sind herzlich eingeladen. Jeder 3. Donnerstag im Monat, 15:00 bis 18:00 Uhr, Ort nach Vereinbarung.
Kontakt über die Freiwilligenzentrale der Diakonie Leipziger Land
Stand: 25.04.2024