Handhygiene & Gesundheit
Eine Hand wäscht die andere, zwei waschen ein Gesicht.
Wir streichen uns die Haare aus der Stirn, reiben uns die Müdigkeit aus den Augen, kratzen uns an der Nase: Durchschnittlich 23 Mal pro Stunde greifen wir uns ins Gesicht und berühren dabei 3,4 Mal die Schleimhäute von Mund und Nase. Meist passiert das unbewusst. Es ist ein Reflex, den wir nur schwer kontrollieren können. Kein Wunder also, dass Krankheitserreger immer wieder ihre Chance bekommen.
Erinnern Sie sich noch? Am Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 wurde viel über Handhygiene gesprochen. Im Lichte immer präziserer Erkenntnisse zu den Übertragungswegen des Coronavirus ist das Thema in der Öffentlichkeit ein wenig in den Hintergrund getreten. Ganz zu Unrecht, findet Krankenhaushygienikerin Roswitha Tauchnitz-Hiemisch, denn die Handhygiene bleibt ein zentraler Baustein für den Schutz vor Infektionen und das nicht nur bei Corona
Wir streichen uns die Haare aus der Stirn, reiben uns die Müdigkeit aus den Augen, kratzen uns an der Nase: Durchschnittlich 23 Mal pro Stunde greifen wir uns ins Gesicht und berühren dabei 3,4 Mal die Schleimhäute von Mund und Nase. Meist passiert das unbewusst. Es ist ein Reflex, den wir nur schwer kontrollieren können. Kein Wunder also, dass Krankheitserreger immer wieder ihre Chance bekommen.
Der WHO zufolge werden 80 Prozent der Infektionskrankheiten über die Hände übertragen.
„Typischerweise sind das hierzulande vor allem Durchfallerkrankungen, die zum Beispiel durch Noro- oder Rotaviren ausgelöst werden. Aber auch die Grippe und das SARS-CoV-2 können so übertragen werden“, sagt die Fachärztin für Mikrobiologie Tauchnitz-Hiemisch und verweist auf einen nützlichen Nebeneffekt der Mund-Nasen-Maske: Richtig angewendet verhindere sie nicht nur, dass wir Viren einatmen, sie diene auch als Barriere gegen eine Kontaktinfektion über die Hände. Oder einfach gesagt: Wenn wir uns wieder einmal ins Gesicht greifen, landen die Viren auf der Maske statt auf den Schleimhäuten.
Der Schutz vor Corona hatte auch Auswirkung auf andere Infekte
Dass Abstand, Handhygiene, medizinische Mund-Nasen-Maske und Lüften nicht nur vor Corona, sondern auch zuverlässig vor anderen Infektionskrankheiten schützen, zeigt ein Blick auf die vergangene Schnupfensaison. Die sonst übliche Welle an Grippe- und Erkältungsinfekten ist nahezu vollständig ausgeblieben, und das weltweit. „Auch wir in der Klinik haben im Vergleich zu den Vorjahren kaum Patienten mit einer Grippe- oder Noroviruserkrankung behandelt“, berichtet Medizinerin Tauchnitz-Hiemisch. Die immer wieder formulierte Befürchtung, dass durch die infektionsarme Zeit unser Immunsystem aus dem Training geraten sein könnte, sei aber unbegründet. „Unser wichtigstes Immunorgan ist der Verdauungstrakt. Allein über die Nahrung nehmen wir so viele fremde Mikroorganismen auf, dass unser Immunsystem definitiv genug zu tun hat“, so die Hygiene-Ärztin.
Unsere Expertin für Infektionen und Hygiene
Dipl.-Med. Roswitha Tauchnitz-Hiemisch
Fachärztin für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie, Krankenhaushygienikerin
hygiene.borna@sana.de
Rückblick: Als Händewaschen in der Medizin noch umstritten war
Nicht erst in Zeiten des Coronavirus gilt: Gründliches Händewaschen und Händedesinfektion sind einfache und wirksame Methoden, um die Verbreitung von Infektionskrankheiten einzudämmen. Die Macht der Händehygiene zur Infektionsverhütung in der medizinischen Praxis wurde bereits in den 1840er Jahren erkannt.
Dr. Ignaz Semmelweis aus Ungarn gilt als Vater der Antisepsis und als früher Verfechter der Händedesinfektion. Semmelweis ordnete das Desinfizieren der Hände mit Chlorkalk zwischen der Behandlung von Patienten an. Durch die Einführung dieser Maßnahme konnte Semmelweis die Sterblichkeitsrate des Kindbettfiebers bei Frauen in der Geburtsklinik des Allgemeinen Krankenhauses Wien von 22 % auf 3 % senken. Doch was heute ganz selbstverständlich ist, war damals recht umstritten. Semmelweis’ Theorie, dass Ärzte infolge mangelnder Händedesinfektion Krankheiten verbreiten, wurde kritisiert und als nicht beweisbarer Unfug abgetan. Die damals weitverbreitete Ansicht, Hygiene sei reine Zeitverschwendung, hatte in der damaligen Zeit unter vielen seiner Kollegen noch absolute Gültigkeit.
Im Alltag reicht gründliches Händewaschen
Mit dem Zurücknehmen der Corona-Schutzmaßnahmen werden die hier schon bekannten Infektionskrankheiten wieder zunehmen, denn Keime und Erreger begleiten uns im Alltag, auch wenn wir sie mit bloßem Auge nicht sehen können: an den Haltegriffen in Bus und Bahn, an Türklinken oder den Griffen von Einkaufskörben und -wagen. Umso wichtiger ist es, sich einen zentralen Baustein des Infektionsschutzes wieder ins Gedächtnis zu rufen: das regelmäßige und gründliche Händewaschen, vor allem
- wenn wir nach Hause kommen und ganz besonders
bevor wir die Lebensmitteleinkäufe in den Kühl- oder Vorratsschrank packe, - vor und nach der Zubereitung von Mahlzeiten,
vor allem bei frischem Fleisch, rohem Fisch und Eiern, - vor dem Verzehr von Speisen,
- nach dem Toilettengang,
- nach dem Niesen und Husten,
- nach dem Wickeln des Babys,
- nach dem Kontakt mit Erkrankten
- und natürlich wenn die Hände sichtbar schmutzig sind.
Medizinisch empfohlen ist eine gründliche Reinigung mit Seife, die insbesondere die Fingerkuppen und Fingerzwischenräume einbezieht. Für das Einseifen sollte man sich ungefähr eine halbe Minute Zeit nehmen. Eine Eselsbrücke, die am Beginn der Pandemie in aller Ohren war, lautet: zwei Mal Happy Birthday singen. Verbunden mit der richtigen Technik (siehe Grafik unten) erreicht die Seife so alle Stellen der Hand und kann ihre Wirkung entfalten. Eine Händedesinfektion ist im täglichen Leben dagegen meist nicht notwendig. Ausnahmen gelten für Menschen mit einem geschwächten Immunsystem oder Menschen, die einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt sind, wie beispielsweise pflegende Angehörige und selbstverständlich in Arztpraxen, Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Hier ist die Händedesinfektion ein wichtiger Schutz.